Eigensicherung beginnt beim Angurten!
Der Unfallinsassenschutz von Polizeibediensteten mit Fokus auf die Führungs- und Einsatzmittel (FEM)
Im Folgenden informieren wir über die aktuellen Forschungsergebnisse der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) mit dem vorgenannten Titel.
Sportwissenschaftler Prof. Dr. Christoph Zinner und Hochschuldozent für Verkehrsrecht- und Verkehrslehre, Antonio Pedron, sind zwei Lehrende am Campus Wiesbaden, denen es gelungen ist, in Bezug auf das Angurtverhalten und die Auswirkungen von Führungs- und Einsatzmitteln auf den Körper beim Verkehrsunfall zu erforschen. Der Fokus war hauptsächlich auf die Schutzweste, Bein- und Hüftholster sowie alle anderen Ausrüstungsgegenstände gerichtet. Gleichzeitig wurde der Body-Mass-Index mit in die Analyse aufgenommen, um festzustellen, welche Auswirkungen ein erhöhter BMI mit sich führt.
Die Forschungstätigkeit wurde begleitet von der TU Berlin und der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Die Forschungsergebnisse des Forschungsprojektes wurden bei der IRCOBI 2023 in den Räumlichkeiten der Universität Cambridge vom 13. bis 15. September 2023 und bei der internationalen Tagung der crash.tech des TÜV SÜD vom 13. und 14. März 2024 an der TU Ingolstadt veröffentlicht.
Die DPolG hat ein starkes Interesse, die Informationen allen Kolleginnen und Kollegen zu übermitteln, denn die Eigensicherung beginnt bei Fahrtantritt mit dem Angurten. Der Sitzgurt muss zudem noch richtig angelegt sein, damit er seine Wirkung entfacht. Oftmals stören Funkgerät, Schlagstock oder Beinholster den Gurtverlauf.
Mit großem Interesse hat die DPolG zur Kenntnis genommen, dass das Tragen eines Beinholsters beim Seitenaufprall mit circa 30 Kilometer pro Stunde höchstwahrscheinlich zu einer Knochenfraktur führen kann. Für den Rechtsschutz ist diese Erkenntnis von hoher Bedeutung, sodass der Dienstherr sich nicht aus seiner Verpflichtung entziehen kann, mit der Argumentation von möglichen Vorschäden. Das bedeutet im Ergebnis, dass der Dienstherr die Einrede der Vorschädigung nicht mehr nutzen kann.
Empfehlungen
1. Als erste Maßnahme wird empfohlen, mehr darauf zu achten, dass der Beckengurt unterhalb der Schutzausrüstung (aller am Gürtel befestigten Elemente) verläuft und straffgezogen wird.
2. Verdrehte Gurte sind möglichst zu vermeiden.
3. Kein Funkgerät an der Schutzweste anklemmen; nur in der Halterungstasche der Schutzweste.
4. Keine Handschuhe, Kabelbinder, Notizblöcke etc. unterhalb des Becken- und Schultergurtes beziehungsweise zwischen Gurt und Körper. Die Gurtlose wird dadurch verstärkt.
5. Gurtverlauf über das Beinholster unbedingt vermeiden.
6. Beinholster ist in sitzender Position am besten auf der Oberseite des Oberschenkels zu tragen; seitlicher Kontakt zur Fahrzeugtür ist möglichst zu vermeiden.
7. Position des Fahrzeugsitzes ist möglichst bei Dienstbeginn mit FEM am Körper einzustellen; zusätzlich ist die Position der Lenksäule an den Fahrzeugführer anzupassen. Spätestens bei Fahrantritt ist daran zu denken.
Faustregel für den korrekten Abstand zum Airbag:
Schulter an Rückenlehne anlehnen und Handgelenke aufs Lenkrad!
8. Vermeiden Sie, einfach in den Dienstwagen einzusteigen, ohne Ihre Sitzposition zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen – hier beginnt die Eigensicherung!
9. Tragen des Stichschutzes stellt beim Frontalaufprall nach derzeitiger Kenntnis kein erhöhtes Verletzungsrisiko für den Oberkörper und den Brustkorb dar.
10. Klingenfang an der Schutzweste stärker polstern (im Rahmen der Beschaffung).
11. Keine schweren oder scharfkantigen Gegenstände ungesichert auf der Rückbank transportieren.
12. Angurten der Einsatztasche zwingend notwendig und als Alternative tolerierbar.
13. Rückbank sollte frei von Gegenständen sein (Gefahrenreduzierung).
14. Keine Schubladen unter dem Sitz; wenn, nur mit Sicherung (analog Nr. 11).
15. Beschulung der Anwärter – Übernahme der Erkenntnisse in der Lehre; Fahrsicherheitstraining.
16. Aufnahme im Leitfaden 371 –Eigensicherung, gegebenenfalls Herausgabe eines Erlasses/Aufnahme im Belehrungsordner analog Alarmfahrten „Sonder- und Wegerechte“ (Obere Landes-/Dienstbehörde).
17. Überlegung zu einer anonymisierten Erhebung über unfallbedingte Verletzungen von Einsatzkräften (Gremien der Personalvertretung/Obere Landes-/Dienstbehörde).
18. Forschungsergebnisse sind in die Evaluation von Dienstunfällen seitens des Dienstherrn, zum Beispiel Dezernat Unfallfürsorge, zu berücksichtigen (Gremien der Personalvertretung/Obere Landes-/Dienstbehörde).