07. Juni 2017

Leitartikel Polizeispiegel

Politik versus echtes Leben

In seinem Leitartikel für die Juni-Ausgabe des Polizeispiegel geht der stellvertretende DPolG Bundesvorsitzende Michael Hinrichsen auf politischen Aktionismus ein, an den wir uns alle seit Langem gewöhnt haben: Fast könnte man sagen, dass wir schon erwarten, dass, wenn heute etwas passiert, wir dann unmittelbar danach von Seiten der Politik erfahren dürfen, dass wir uns jetzt, also ab sofort, mit „voller“ Kraft, also mit allen Kräften, eben genau diesem Phänomen widmen werden. D. h., dass alles andere liegen bleiben kann – ist vermutlich alles (doch) nicht wichtig…

Oft bekommen wir diese Informationen – so wie alle Bürgerinnen und Bürger – aus den Medien. D. h., dass es zu dem Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntgabe eben noch gar keine fachlichen Konzepte gibt (geben kann!), geschweige denn mit „polizeilichen Fachleuten“ gesprochen worden ist. Meist ging es eben nur darum, wer als Erstes mit den „besten Ideen“ in die Medien gehen kann.

Zum anderen wissen wir auch, dass viele dieser gegenüber der Öffentlichkeit schnell gemachten Ankündigungen ganz einfach nicht zu leisten sind. Politische Aussagen setzen eben (leider!) nicht zwingend auch fachliches Know-how voraus.

Ähnlichen Aktionismus kennen wir, wenn es um neue Gesetze geht. Beispielhaft möchte ich hier die von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzesverschärfungen beim „Einbruchsschutz“ anführen. Unter der Schlagzeile „Höhere Strafen für Einbrecher und bessere Befugnisse – Funkzellenabfrage wichtiges Ermittlungsinstrument“ wird jetzt alles besser?!

Hört sich gut an! Stimmt ja auch! Die DPolG begrüßt diese neuen Regelungen und ihre Folgen ausdrücklich. Aber auch hier fehlt die Basis, die dieser politischen Entscheidung zu einem Erfolg verhelfen könnte. Zuerst einmal brauchen wir das Personal, um die Einbrecher zu fangen. Im Optimalfall auf frischer Tat. Schwieriger wird es schon, wenn die Tat bereits passiert ist und wir ermitteln müssen: Kollegen müssen zum Tatort. Anzeige aufnehmen. Spuren sichern. Geschädigte beraten/trösten…

Spuren müssen (nachdem man sie oft mit viel Mühen sichern konnte) ausgewertet werden. Notwendige Gutachten dazu dauern oft Monate, weil das Personal bei den entsprechenden „Auswertestellen“ fehlt. Private „Anbieter“ sind in der Regel für die Staatskassen bzw. die Polizeihaushalte zu teuer – und oft auch nicht viel schneller. Aber die Zeit kann ja sinnvoll überbrückt werden: Die Vielzahl der Fälle, die in den Vorgangsmappen viel zu weniger Sachbearbeiter landen, lassen keine Langeweile aufkommen.                                                  

Bis die Ergebnisse vorliegen, können die Täter natürlich weiter ihr Unwesen treiben. Sind sie dann irgendwann identifiziert, können wir alle nur hoffen, dass sie auch möglichst schnell in eine Kontrolle geraten und festgenommen werden können.

Und dann folgt die nächste Schwachstelle an neuen Gesetzen bzw. höheren Strafen: Wie bei der Polizei haben auch viel zu wenige Staatsanwälte und ebenso wenige Richter viel zu viele Vorgänge zu bearbeiten. Im Ergebnis werden Vorgänge eingestellt, die bei einer vernünftigen Personalsituation verfolgt werden würden/könnten.

Präventiv oder gar abschreckend können neue Gesetze und höhere Strafen nur dann wirken, wenn auf der einen Seite genügend Polizei da ist, um Täter „zu fangen“ und Ermittlungen umfänglich und abschließend durchführen zu können. Auf der anderen Seite braucht es eine personell vernünftig aufgestellte Justiz und vor allem endlich Urteile, die zumindest bei Schwerstkriminellen den möglichen (neuen) Strafrahmen auch ausschöpfen.

Solange nicht bei „der Politik“ angekommen ist, dass die Gewerkschaften nicht aus Spaß permanent über fehlendes Personal klagen, werden wir wohl auch in Zukunft nicht von politischem Aktionismus verschont bleiben. Aber unsere Kolleginnen und Kollegen müssen bundesweit seit Jahren angespannte Personalsituationen meistern und wissen sehr genau, was von politischen (nicht fachlichen!) Ankündigungen tatsächlich umgesetzt werden kann.

Und notfalls erinnern wir uns an das Lied der Ärzte: „Lasse Redn“…