14. April 2025

Taser statt Pistole

DPolG fordert Einführung des Tasers - zahlreiche Bundesländer sind auf dem richtigen Weg

  • Ralf Kusterer, Stellv. DPolG-Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender DPolG Baden-Württemberg
    Foto: Windmüller
    Ralf Kusterer, Stellv. DPolG-Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender DPolG Baden-Württemberg

Die Gewalt gegen Einsatzkräfte nimmt immer weiter zu, wie die aktuelle Kriminalstatistik zeigt. Gleichzeitig sterben mehr Menschen durch Polizeiwaffen.

Das Gerät summt bedrohlich laut. Ein grelles Warnlicht scheint dem Angreifer ins Gesicht, sobald die gelb-schwarze Waffe gezogen ist. Wird der Abzug gedrückt, schießen Pfeilelektrode mit Druck aus der Pistole, bohren sich in den Körper des Gegners und legen seine Muskeln lahm. Taser, sogenannte Distanzelektroimpulsgeräte, flößen Respekt ein. Die Polizei nutzt sie immer häufiger, um Angreifer außer Gefecht zu setzen. 

Das Problem auf der Straße

Die Gewaltkriminalität ist auf dem höchsten Stand seit Jahren, das zeigt die jüngst veröffentlichte Kriminalstatistik. Auch Polizistinnen und Polizisten werden immer häufiger angegriffen. „Die Spirale der Gewalt geht immer weit nach oben“, sagt Ralf Kusterer, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Im vergangenen Jahr wurden jeden Tag laut Statistik durchschnittlich 305 Polizisten Opfer von Straftaten. Die Beamten auf der Straße haben es zudem mit immer mehr drogenabhängigen oder psychisch auffälligen Menschen zu tun, die teils nicht mehr ansprechbar sind oder keinen Schmerz mehr spüren. In solchen Extremsituationen, die über Leben und Tod entscheiden können, müssen Beamte blitzschnell und unter großem Stress entscheiden.

Optionen im Ernstfall

Der DPolG Bezirksvorsitzende Ravensburg, Marcus Haider, dienstlich Einsatztrainer aus Ravensburg, kennt sich mit der Gewalt auf der Straße aus. Dort werde es rauer, sagt er. Er selbst sei schon im Einsatz geschlagen und mit einem Messer verletzt worden. Was aber tun? Mit dem Schlagstock müsse man bei einem Angriff sehr nah an sein Gegenüber heran, damit riskiere man selbst Verletzungen. Und das Pfefferspray? Wirke häufig nicht, habe keine „Mannstoppwirkung“, so Haider. Häufig bleibe den Beamten zur Eigensicherung nur der Griff zur Dienstwaffe – mit potenziell tödlichen Folgen.

Der Schusswaffengebrauch

Im vergangenen Jahr starben etwa allein in Bayern vier Menschen durch Polizeikugeln, so viele wie seit 1997 nicht mehr. Auch im benachbarten Baden-Württemberg wurden 2024 so viele Menschen von der Polizei erschossen wie seit mehreren Jahren nicht mehr. Solche Schusswaffeneinsätze haben nicht nur schlimme Folgen für die Täter, sondern auch für die, die den Abzug drücken müssten, so Gewerkschafter Kusterer. „Viele Kollegen haben mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu tun.“ Der Taser, so argumentieren die Befürworter, könne die Lücke zwischen Schlagstock und Schusswaffe füllen – und so Leben retten.

Die Funktionsweise

Aus einer Distanz von mehreren Metern schießt der Polizist mit Draht verbundene Pfeile ab, die mehrere Millimeter tief in die Haut eindringen und einen Stromimpuls abgeben. Das verursacht eine Lähmung im Nervensystem und macht den Gegner mehrere Sekunden handlungsunfähig. Das neueste Modell verfügt über ein Magazin mit zehn Pfeilen und lässt sich bereits aus mehr als 13 Meter Abstand feuern. Wie fühlt sich das an? Haider ließ sich selbst zu Übungszwecken tasern. Einmal und nie wieder, meint der Polizist, der seit 30 Jahren Kampfsport macht. „Ich ging unmittelbar zu Boden. Ich konnte nichts mehr machen.“

Die Vorteile

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert seit Jahren, Streifenpolizisten flächendeckend mit Tasern auszustatten. Bis zu 91 Prozent der kritischen Einsatzlagen könnten bereits mit der Androhung des Geräts deeskaliert werden, meint Christian Scherf, der die Firma Axon in Deutschland vertritt. Das Unternehmen beliefert die Polizei mit den Waffen. Das Bundesinnenministerium räumt ein, dass die hohe deeskalierende Wirkung schon bei Androhung ein wesentlicher Vorteil gegenüber allen anderen Einsatzmitteln sei.

Die Verbreitung

Die Elektroimpulsgeräte breiten sich immer weiter aus. Laut Axon wird der Taser schon von allen Spezialeinsatzkommandos in Bund und Ländern verwendet. Die Polizei in zehn Ländern benutzt ihn zudem flächendeckend im Streifendienst der Polizei oder bei Unterstützungskräften. Die Bundespolizei erprobt die Geräte derzeit nach eigenen Angaben an vier Dienststellen, eine Ausweitung auf alle Flächendirektionen sei für das Frühjahr 2025 angedacht.

Die Nachteile

Einige Länder sehen im Taser dennoch keine Allzweckwaffe. In dynamischen Einsatzlagen, in denen Einsatzkräfte mit Messern oder Waffen bedroht oder angegriffen würden, sei der Einsatz nicht geeignet, heißt es etwa aus dem Innenministerium in Baden-Württemberg. So könne es etwa sein, dass die Pfeile nicht hafteten, sagt ein Sprecher. „Das wiederum könnte Polizistinnen und Polizisten im Einsatz gefährden.“ Außerdem könnten Taser für die Betroffenen unabsehbare gesundheitliche Folgen haben. Gleichzeitig sei der Taser-Einsatz mit einem sehr hohen, aufwendigen und regelmäßigen Trainings- und Schulungsaufwand verbunden.

Ralf Kusterer ist verärgert über die Aussagen des Innenministeriums Baden-Württemberg:

„So etwas können eigentlich nur Führungskräfte erzählen, die von der Straße und dem einsatztaktischen Vorgehen im Streifendienst keine Ahnung haben. In anderen Bundesländern sichert ein Polizist/Polizistin den Tasereinsatz mit der Waffe ab. Das garantiert die Eigensicherung. Warum Polizeibeamte anderer Länder erfolgreich den Taser einsetzen und den erforderlichen Trainings- und Schulungsaufwand leisten können aber Baden-Württemberg nicht, kann niemand erklären. Neuste Trainingsmethoden wie der Einsatz von Virtual-Reality-Brillen sind kostengünstig und können auch außerhalb von Trainingszentren eingesetzt werden. Und natürlich gibt es viele Fälle in denen man den Taser nicht einsetzen kann. Dem gegenüber stehen aber ein vielfaches an Fällen, in denen dieser erfolgreich eingesetzt werden kann.“

In hochdynamischen Lagen nehme die Wahrscheinlichkeit einer verlässlichen Anbringung der Pfeilelektroden ab, schreibt das Bundesinnenministerium. Rennt ein Angreifer etwa mit einem Messer auf Polizisten zu, da sind sich die Experten einig, ist der Taser kaum einsetzbar. Es bräuchte einen zweiten Beamten, der die Lage mit größerem Abstand mit einer Schusswaffe absichert. Hier scheinen sich Bundesinnenministerium und Polizeigewerkschaft einig zu sein.

Die Gefahr

Befürworter führen an, dass ein Taser im Vergleich zur Schusswaffe ein relativ harmloses Mittel sei. Aber: Ohne Risiko ist der Einsatz eines Elektroschockers nicht. Typische Verletzungen bei Taser-Einsätzen umfassen laut Bundesinnenministerium Hautabschürfungen von Stürzen sowie Hautverletzungen durch die Pfeile. Beim Griff zum Taser ist die Hemmschwelle im Vergleich zur Pistole niedriger – das Ziehen der bedrohlichen Waffe kann jedoch auch eskalierend wirken, meinen Kritiker. Mathias John, Rüstungsexperte bei Amnesty International sagt: „Taser werden gegen Personen eingesetzt, von denen keine Gewalt ausgeht – zum Beispiel, um zu erzwingen, dass sie den Anweisungen der Behörden Folge leisten.“ Häufig würden Menschen mit Vorerkrankungen oder Personen mit psychischen Erkrankungen Ziel eines solchen Einsatzes.

Diesen Aussage widerspricht die Deutsche Polizeigewerkschaft. Kusterer: „Waffen werden immer nur dann eingesetzt, wenn es notwendig und verhältnismäßig ist. Aber es macht durchaus Sinn, Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht zu erschießen, sondern mit dem Taser ihr Leben zu retten und sie wegen ihrer Erkrankung der medizinischen Hilfe zuzuführen.“

Gerade bei Älteren, Schwangeren und Menschen mit Herzproblemen können Taser auch tödliche Folgen haben. Laut Amnesty gab es in dem Zusammenhang in Deutschland seit 2021 sogar mindestens zehn Todesfälle. Allerdings so Haider, Gewerkschafter und Einsatztrainer: „Schwangere und ältere Menschen sind nicht unser Problem. Und ob es für Herzkranke besser ist, wenn man die tödliche Schusswaffe einsetzt, bezweifle ich.“

 

Quellen: dpa (Meldung vom 14.04.2025) und DPolG