01. Februar 2016

Leitartikel des 1. Stellv. Bundesvorsitzenden

Die Silversternacht und ihre Folgen

In der ersten Ausgabe des Polizeispiegel 2016 schreibt der Erste stellvertretende DPolG Bundesvorsitzende Joachim Lenders in seinem Leitartikel über die Silvesternacht und ihre Folgen:

Die Vorfälle in Köln, Hamburg und anderen Städten in der Silvesternacht haben fassungslos, bestürzt und wütend gemacht. Frauen wurden von Männern sexuell belästigt, bedrängt und beleidigt. Sie wurden bestohlen, beraubt und faktisch zum Freiwild erklärt. Unglaubliche, bisher nicht vorstellbare Angst- und Bedrohungsszenarien haben sich mitten in deutschen Großstädten abgespielt.

Die Tatverdächtigen wurden übereinstimmend von den Opfern als junge Männer mit Migrationshintergrund beschrieben. Dabei ist es eher unwesentlich, ob die Täter seit wenigen Wochen, Monaten oder seit Jahren in Deutschland leben. Die bisher ermittelten Tatverdächtigen in Köln und auch in Hamburg haben alle unisono einen Migrationshintergrund.  

 

Die wortstarke Replik der Politik ließ nach dem späten Bekanntwerden nicht auf sich warten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert eine "harte Antwort des Rechtsstaats", Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) spricht von einem "zeitweiligen Zivilisationsbruch einer enthemmten Horde" und von einer neuen Art der "organisierten Kriminalität", Bundesinnenminister Thomas des Maizière (CDU) denkt laut darüber nach, wie "straffällige Asylbewerber leichter als bisher ausgewiesen werden können". Die Massivität dieser Straftaten geballt an einzelnen bestimmten Orten in deutschen Großstädten ist sicherlich ein neues Phänomen. Vorhersehbar war diese Art der Tatbegehung in der Silvesternacht sicherlich auch nicht. Die Art der Tatbegehung allein ist allerdings kein neues Kriminalitätsphänomen. Um es an dieser Stelle einmal und unmissverständlich klarzustellen: weder Flüchtlinge noch Menschen mit Migrationshintergrund sind per se kriminell oder weisen eine besondere Neigung auf, Straftaten zu begehen. Sie tragen aber genauso wenig einen Heiligenschein mit sich herum, wie Menschen mit deutscher Nationalität.  

 

Von daher ist aus meiner Sicht schon die Frage zulässig, ob vorher niemand erahnen konnte und es unvorstellbar gewesen ist, dass bei über einer Million Menschen, die zu einem Großteil aus einem anderen Kulturkreis kommen, viele davon junge, alleinstehende Männer, es nicht zu einer entsprechenden Zunahme von Straftaten in unserem Land kommt. Aber schon sind sie da: die Mahner, die Beschwichtiger. Diejenigen, die sofort an die Gesellschaft appellieren, dass man doch bitte nicht verallgemeinern darf und alle Flüchtlinge und Migranten in einen Topf werfen und sie unter Generalverdacht stellen darf! Die gerade in dieser Situation dazu mahnen auf die richtige Wortwahl zu achten. Die nach den falschen Worten und Sätzen suchen. Worte und Sätze, die es gilt solange zu interpretieren, bis der Vorwurf das Gesagte kommt aus der "rechten Ecke" für sie schlüssig belegbar ist. Und dann kommt das "Schweigen", dieses unsägliche Schweigen, weil die Angst aufkommt, ob es nicht doch falsch war - zumindest missverständlich - sich so zu äußern. Und die Erklärungsversuche beginnen, dass es anders gemeint war. Die Diskussion über das eigentliche Thema gerät in den Hintergrund - nur noch die "Auseinandersetzung um die gesagten Worte" bestimmt die weitere Diskussion.  

 

Straftäter sind für die Polizei schlicht und ergreifend Straftäter und es ist den einschreitenden Polizisten völlig egal welche Nationalität sie haben. Warum sollte es für einen Polizisten einen Unterschied machen, ob der Gewalttäter, der Einbrecher, der Kriminelle einen Migrationshintergrund hat oder nicht? Glaubt irgendjemand, dass Polizisten in Deutschland rechte Ressentiments bedienen oder schüren? Polizisten, die in ihren eigenen Reihen mittlerweile viele Kollegen/innen mit Migrationshintergrund haben. Polizisten, die anspruchsvollen Auswahlverfahren unterliegen, in dem nicht nur Intelligenz, Sportlichkeit und Belastbarkeit geprüft, sondern auch die charakterliche Eignung hinterfragt werden. Polizisten sind einfach Menschen, mit all ihren Stärken und Schwächen. Mit unterschiedlichsten Neigungen, politischen und gesellschaftlichen Ansichten. Keine "Übermenschen", sondern einfach Menschen, die einen bestimmten Beruf ausüben - sicherlich einen besonderen Beruf, weil er ihnen das staatliche Gewaltmonopol verleiht und die in besonderem Maße in der öffentlichen Wahrnehmung stehen.  

 

Dieses staatliche Gewaltmonopol auszuüben steht im ständigen Abwägungsprozess dieses verhältnismäßig und angemessen zu vollziehen. Es ist infam und perfide den eingesetzten Polizisten in Köln, Hamburg oder anderswo zu unterstellen, dass sie in der Silvesternacht bewusst und gewollt gegen Straftäter nicht eingeschritten sind. Dass sie nicht geholfen haben oder eingeschritten sind, wo Menschen ihren Schutz oder ihre Hilfe gebraucht haben. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass Polizisten, aufgrund ihres Berufes, selten in bedrohlichen Situationen Angst haben oder zeigen.  

 

Wenn in diesem Zusammenhang von Angst die Rede ist, dann allenfalls von der Angst der Polizei in Deutschland unmittelbaren Zwang anzuwenden. Natürlich darf, kann und muss jeglicher Einsatz von unmittelbarem Zwang hinterfragt werden. Dazu ist es notwendig, dass die Maßnahmen verhältnismäßig und angemessen sind. Ich möchte mir jedoch nicht vorstellen, wie Medien, Politik und Gesellschaft reagiert hätten, wenn in der Silvesternacht in Köln die Polizei unter Zuhilfenahme von Wasserwerfern, Reiterstaffel und Schlagstockeinsatz gegen einen außer Kontrolle geratenen randalieren Mob vorgegangen wäre. Randalierer, die sich einen Spaß daraus gemacht haben, auf Menschen gezielt Feuerwerkskörper zu schießen. Die außer Rand und Band und im Schutze der Anonymität der Masse gezielt Frauen sexuell bedrängt, erniedrigt und belästigt haben. Hätten die Schlagzeilen dann anders gelautet? "Ausgelassene, fröhliche Silvesterfeier wird von Polizei niedergeknüppelt!" - "Parlamentarischer Untersuchungsausschuss nach Gewaltexzessen in der Kölner Polizei gefordert!"  

 

Aufgrund der vorliegenden öffentlich gewordenen Einsatzberichte der Bundes- und Landespolizei darf man sicherlich unterstellen, dass nicht das Einschreiten einiger weniger Doppelstreifen gegen einzelne Straftäter auf der Tagesordnung standen, sondern das "die Hütte an allen Stellen gebrannt hat" und nur noch ein massives Polizeiaufgebot unter massivem Einsatz von unmittelbarem Zwang die Lage unter Kontrolle bekommen hätte. Diese massive Polizeistärke war aber eben nicht in dieser Nacht vorhanden. Und es ist müßig im Nachhinein darüber zu philosophieren, ob es nicht vorhersehbar war. Die einschreitenden Polizisten haben in Köln, wie auch in Hamburg, ihren bestmöglichen Job unter diesen Umständen gemacht.  

 

Und es gehört auch zur Wahrheit, vollkommen unabhängig von den Vorkommnissen in Köln und Hamburg, dass es seit Jahren in Deutschland erhebliche Integrationsprobleme, vorwiegend mit jungen männlichen Migranten gegeben hat und gibt. Nicht erst seit dem Buch unserer Kollegin Tania Kambouris, die den "Notruf einer Polizistin" abgesetzt hat, weiß man um diese Probleme. Durch die gesamte Republik zieht sich das kriminelle Gebaren einiger sogenannter "Familienclans", die keinerlei Respekt vor der deutschen Gerichtsbarkeit, der Justiz und der Polizei zeigen. Die frei nach der Devise agieren "mir passiert eh nichts" und falls doch "bin ich schneller wieder draußen, als das der Gefängnispsychologe mit der Resozialisierungstherapie begonnen hat".  

 

"Wenn wir diese Schwierigkeiten weiterhin unter den Teppich kehren, wird sich unsere Gesellschaft spalten, und zwar in Deutsche und integrierte Migranten und in jene Migranten, die in einer Parallelgesellschaft leben und ganz bewusst die hiesigen Werte, Normen und Gesetze missachten. So lässt sich kein friedliches Miteinander gestalten." (Tania Kambouris, Polizeibeamtin und Buchautorin)