Regierungsbildung zwischen Union und SPD
Analyse zum Koalitionsvertrag
Die Zeitenwende in der Inneren Sicherheit ist durch den Koalitionsvertrag möglich geworden. Zu ihrer Realisierung braucht es konsequente und mutige Politik - eine Analyse vom DPolG-Bundesvorsitzenden Rainer Wendt.
Die DPolG hat sich früh eingemischt, schon, als das „Aus“ der Ampel-Regierung noch gar nicht absehbar war. Mit einem 10-Punkte-Plan hat die Bundesleitung bereits im Juli vergangenen Jahres wichtige Forderungen für die künftige Bundesregierung aufgestellt, deren Wahl zu diesem Zeitpunkt noch für September 2025 geplant gewesen war. Dass es schon wenige Monate später zum Bruch der Ampel-Regierung kommen würde, konnte da noch niemand wissen. Umso besser, dass die DPolG zum Jahresende bereits wichtige Gespräche mit Vertretern der politischen Parteien geführt hatte.
Wiederholte Treffen gab es mit der Führung der Union, die sich immer wieder gesprächsbereit und interessiert zeigte. Auch und vor allem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Martin Huber, der Generalsekretär der CSU, akzeptierten viele Forderungen der DPolG und zeigten sich auch bereit, diese im künftigen Wahlprogramm zu berücksichtigen. Und in der Tat fanden sich unsere Positionen im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU wieder.
Gut gemacht: Neue Befugnisse für die Bundespolizei und das BKA
Positiv ist, dass die Befugnisse für die Bundespolizei erweitert werden, wie wir es als DPolG gefordert hatten. „Wir vertrauen der Bundespolizei und schaffen für sie ein modernes Bundespolizeigesetz mit zeitgemäßen rechtlichen Grundlagen“, haben die Koalitionäre vereinbart. Das schließt übrigens Kontrollquittungen, Kennzeichnungspflicht und auch den „Bundespolizeibeauftragten“ aus. Denn alle diese Misstrauensbekundungen haben unsere Kolleginnen und Kollegen nicht verdient.
Auf andere Befugnisse hatte die DPolG auch im direkten Vorfeld der Bundestagswahl immer wieder gedrängt, jetzt finden sie sich im Koalitionsvertrag wieder:
Datenanalyse mithilfe Künstlicher Intelligenz, biometrische Fernidentifizierung zur Identifizierung von Täterinnen und Tätern, Einsatz von Videotechnik an Kriminalitätsschwerpunkten, dreimonatige Speicherfrist für IP-Adressen, Quellen-TKÜ für die Bundespolizei, automatisierte Datenrecherche und -analyse, biometrischer Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten, auch mittels Künstlicher Intelligenz und den Einsatz von automatisierten Kennzeichenlesegeräten im Aufzeichnungsmodus zu Strafverfolgungszwecken – die Koalition macht Ernst im Kampf gegen Kriminalität und Terror.
Na endlich: Kritische Infrastrukturen und besserer Zivilschutz
Wir begrüßen auch die Absicht der Koalition, zeitnah ein gutes KRITIS-Gesetz, also ein Gesetz zum Schutz kritischer Infrastruktur, auf den Weg zu bringen. Nancy Faeser hatte drei Jahre lang Zeit und hat nichts zustande gebracht. Dabei ist es dringender denn je, die Betreiber kritischer Infrastrukturen zu verpflichten, entsprechende Schutzmaßnahmen zu installieren. Es war beispielsweise noch nie zu akzeptieren, dass Flughafenbetreiber ihre Start- und Landebahnen durch lächerliche „Gartenzäune“ schützen, die jeder Teenager durchschneiden kann, um aufs Rollfeld zu gelangen und den Flugverkehr lahmzulegen. Ausreichender Perimeterschutz, einschließlich fest installierter moderner Videotechnik und Drohnenabwehrmaßnahmen müssen jetzt endlich gesetzlich verpflichtend werden!
Dass die neue Regierung durch eine Änderung der Rechtslage in der Zivilen Verteidigung Handlungsfähigkeit bereits vor dem Spannungs- und Verteidigungsfall ermöglichen will, ist ein wichtiger Fortschritt. Der „Operationsplan Deutschland“ (OPLAN DEU) führt die Aufgaben des Militärs bei der Landes- und Bündnisverteidigung mit den notwendigen zivilen Leistungen zusammen.
Im Klartext: Verteidigung des Landes findet auch im Land selbst statt. Hier kommt der Bundespolizei eine wichtige Funktion zu. Sie muss in die Lage versetzt sein, mit autarken Strukturen und der Bereithaltung so genannter „Sicherheitsinseln“ in den eigenen Liegenschaften im Landesinnern für den notwendigen Schutz der Zivilbevölkerung und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden zu sorgen.
Diese Bestimmung führt die Themen militärischer Landesverteidigung und ziviler Schutzmaßnahmen zusammen, deshalb muss künftig auch die Finanzierung beider Aufgaben zusammen gedacht werden. Die zusätzlichen finanziellen Mittel, deren Bereitstellung der Bundestag durch Änderung des Grundgesetzes auf den Weg gebracht hat, darf deshalb nicht allein für die Streitkräfte bereitstehen, sondern muss auch für die Bundespolizei und die erforderlichen Aufgaben zum Zivil- und Katastrophenschutz im Notstands- und Verteidigungsfall eingesetzt werden können.
Drohnenabwehr und BOS-Digitalfunk
Die unendliche Geschichte des BOS-Digitalfunks wollen die Koalitionäre nun endlich durch Bereitstellung eines eigenen UHF-Frequenzbereiches um einen wichtigen Baustein erweitern. Darauf hatte die DPolG seit Jahren gedrängt, denn die Möglichkeiten des Digitalfunks bleiben ohne die Bereitstellung eines solchen Frequenzbereiches beschränkt.
Und auch, dass das Thema Detektion und Abwehr von Drohnen nun endlich gesetzlich geregelt wird, ist dringend erforderlich, denn sowohl in den Ländern als auch im Bund existieren eindeutige gesetzliche Befugnisse nicht. Sie sind aber notwendig, denn die Bedrohungen durch solche Flugobjekte sind vielfältig, wie beispielsweise der Einsatz von Drohnen im Krieg in der Ukraine nahezu täglich zeigen.
Besserer Schutz von Einsatzkräften vor Gewalt
Dass die Bestimmungen des Meldegesetzes geändert werden müssen, um ohne größere Begründungspflichten dafür zu sorgen, dass die Wohnsitze von Beschäftigten nicht in die Akten kommen und in den Meldebehörden gesperrt sind, hatte Heiko Teggatz, Vorsitzender der DPolG-Bundespolizeigewerkschaft) bereits in der damaligen Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages gefordert. Jetzt hat sich die Regierung genau dies vorgenommen und wird das Meldegesetz zum Schutz von Einsatzkräften von Polizei und Rettungsdiensten, aber auch zum Schutz von Mandatsträgern überarbeiten. Dazu gehört natürlich auch der verbesserte strafrechtliche Schutz der Kolleginnen und Kollegen, dessen Verschärfung sich die Koalitionäre vorgenommen haben.
An dieser Stelle hatte die DPolG immer wieder auf die Notwendigkeit verbesserter und regelmäßiger Trainingsmöglichkeiten für die Einsatzkräfte hingewiesen. Angreifer schauen nicht auf die mögliche Strafandrohung und gutes und regelmäßiges Einsatztraining kann Leben retten. Dazu sind ausreichende Zeit, moderne Trainingsstätten und finanzielle Ausstattung erforderlich. Auch und insbesondere für unsere Spezialeinheiten sind Trainingsmöglichkeiten besonderer Einsatzsituationen dringend notwendig, um Fähigkeitslücken gar nicht erst entstehen zu lassen!
Kommt die Wende in der Asyl- und Migrationspolitik?
Wenigstens ist sie durch den Koalitionsvertrag ein wenig näher gerückt. In der Vergangenheit hatten die Einsatzkräfte an den deutschen Grenzen hervorragende Arbeit geleistet. Allein in dem Zeitraum zwischen dem 16. September 2024 und dem 2. Februar 2025 ist die Bilanz der Bundespolizei beeindruckend:
- 13.785 Personen wurden unmittelbar an der Grenze oder im Zusammenhang mit dem illegalen Grenzübertritt zurückgewiesen oder zurückgeschoben.
- 739 Personen besaßen eine Wiedereinreisesperre für Deutschland und wurden daher an der Einreise gehindert.
- 518 Schleuser wurden vorläufig festgenommen.
- 3.306 offene Haftbefehle wurden vollstreckt.
- 396 Personen aus dem links-, rechts- und ausländerextremistischen oder dem islamistischen Spektrum wurden festgestellt.
Jetzt kommt es darauf an, die Zurückweisungen konsequent fortzusetzen und auch diejenigen einzubeziehen, die ein Asylgesuch äußern. Hinzu kommt die Beendigung der „Freiwilligen Aufnahmeprogramme“, die Aussetzung des Familiennachzuges, Erweiterung der Liste „sicherer Herkunftsländer“ und die ernsthafte Steigerung der Rückführung ausreisepflichtiger Menschen in ihre Herkunftsländer. Dies soll vor allem dann gelten, wenn es sich um Personen handelt, die hier in Deutschland straffällig geworden sind.
Die DPolG hatte auch darauf gedrängt: „Bei schweren Straftaten führt die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zu einer Regelausweisung.“ Gut so, denn es war nie akzeptabel, dass im Anschluss an eine Freiheitsstrafe erneut umfangreiches Verwaltungshandeln notwendig ist, um die Ausweisung zu veranlassen.
Zuständigkeitszentralisierung beim Bund zur Durchführung aller Überstellungen nach der Dublin-Verordnung, Bundesausreisezentren und regelmäßige Abschiebungen auch nach Afghanistan und Syrien sind weitere Elemente der Asylwende, die notwendig sind, um die richtigen Signale auch an diejenigen zu senden, die nach Deutschland kommen wollen. Richtigerweise gehört auch die Ausweitung von Kapazitäten für die Abschiebehaft hierzu. Die Bundespolizei erhält endlich die Befugnis, für ausreisepflichtige Ausländer vorübergehende Haft oder Ausreisegewahrsam zu beantragen, um die Abschiebung sicherzustellen. Auch dies hatte die DPolG immer wieder gefordert.
Der Koalitionsvertrag eröffnet die Möglichkeit zur Zeitenwende in der Inneren Sicherheit. Jetzt wird es darauf ankommen, die Vorhaben auch rasch und öffentlich wahrnehmbar umzusetzen. Das wird eine personelle Besetzung an der Spitze des Bundesinnenministeriums erfordern, die konsequent handelt und alle Möglichkeiten ausschöpft, um sowohl Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung wirksam auszubauen als auch Illegale Einreise nach Deutschland konsequent zu unterbinden.
Alles das ist auch dringend nötig, denn viele Menschen fühlen sich zunehmend unsicher in Deutschland. Rund 40 Prozent der Bevölkerung fühlt sich im öffentlichen Raum „unsicher“ bis „sehr unsicher“, eine verheerend große Zahl (Quelle: Infratest Dimap). Dieses Gefühl der ständigen Bedrohung zerstört Freiheit, denn viele Menschen gewöhnen sich an Vermeidungsverhalten, bleiben öffentlichen Plätzen und Veranstaltungen oder öffentlichen Verkehrsmitteln fern.
Teuer, überflüssig und polizeifeindlich: Der „Bundespolizeibeauftragte“
Und tatsächlich zeigte sich in den späteren Koalitionsverhandlungen, dass unsere Forderungen zum Streitobjekt zwischen den Regierungsparteien werden würde. Den „Bundespolizeibeauftragten“ wollen die Sozialdemokraten verständlicherweise nicht abschaffen, sie haben ihn schließlich eingeführt. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu die Einigung: „Das ausgeuferte Beauftragtenwesen des Bundes reduzieren wir um rund 50 Prozent.“ Das ist einigermaßen unklar, aber trotzdem richtig, denn das „Beauftragtenwesen“ ist teuer, bürokratisch, nutzlos und verfassungsrechtlich problematisch.
Wir werden als DPolG selbstverständlich dranbleiben, denn der „Bundespolizeibeauftragte“, ein Lieblingsprojekt von Nancy Faeser, ist ebenso überflüssig, teuer und schadet dem Ansehen der Bundespolizei. Deshalb drängen wir weiter darauf, dass dieses 1,5 Mio. Euro teure Amt wieder abgeschafft wird. Heiko Teggatz, Vorsitzender der DPolG-Bundespolizeigewerkschaft, hat sicherheitshalber eine umfangreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Schaffung dieses Amtes durch einfaches Gesetz beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Was die Koalition vielleicht nicht hinbekommt, schafft dann Karlsruhe.
Bundesdisziplinargesetz muss neu geregelt werden!
Außerdem hatten wir im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen darauf gedrängt, dass das Bundesdisziplinargesetz wieder geändert und die Entlassung eines Beamten aus dem Dienst wieder unter den Vorbehalt einer gerichtlichen Befassung gestellt wird. Angeblich zur Verfahrensbeschleunigung hatte Nancy Faeser die „Entlassung durch Verwaltungsakt“, also durch disziplinare Entscheidung der Behördenleitung, eingeführt. Dem war das Land Brandenburg unter dem damaligen CDU-Innenminister Stübgen gleich eilig gefolgt. Er hatte es kaum abwarten können, dem Berufsbeamtentum damit schweren Schaden zuzufügen, denn diese Regelung betrifft selbstverständlich auch Beamte auf Lebenszeit und trifft damit einen wichtigen Baustein des Berufsbeamtentums ins Mark.
Dass die Verfahren dadurch nicht kürzer, sondern eher länger würden, haben wir Nancy Faeser immer wieder erklärt und auch der Deutsche Beamtenbund hatte sich entsprechend positioniert. Aber die Ampel-Regierung blieb bis zuletzt unbelehrbar und setzte die Regelung mit ihrer Mehrheit durch, auch FDP und natürlich Grüne machten mit. Dabei wäre ein echter Beschleunigungseffekt viel leichter zu haben, nämlich indem die Gerichte zur beschleunigten Bearbeitung per Gesetz verpflichtet würden oder im Bundesbeamtengesetz eine Regelung zum Erlöschen der Beamteneigenschaft bei rechtskräftiger Verurteilung wegen schwerer Straftaten zu einem bestimmten Mindeststrafmaß eingeführt würde.
Das alles wollte Nancy Faeser nicht, sie verfolgte ein ganz anderes Ziel. Sie wollte die Beamtenschaft einschüchtern und auf Parteilinie bringen, deshalb hielt sie an dem Vorhaben fest. Warum ein CDU-Innenminister diesen Unfug mitmacht, lässt sich nicht mehr ergründen, er ist nicht mehr im Amt. Gut für Brandenburg.
Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Wir werden das Gesetz zur Beschleunigung der Disziplinarverfahren und seine Auswirkungen im Jahr 2027 evaluieren und es gegebenenfalls ändern.“ Das ist deutlich zu wenig. Die SPD hat es in den Verhandlungen offensichtlich geschafft, der Union einzureden, dass es sich hierbei um ein „Gesetz zur Beschleunigung der Disziplinarverfahren“ handelt. Die Union wurde getäuscht und hätte es wissen müssen, wir hatten es der Parteispitze immer wieder erklärt. Deshalb werden wir als DPolG auch mit der neuen Regierung weiter im Gespräch bleiben und früher auf eine Änderung drängen.
Cannabis-Teillegalisierung - „Evaluierung“ reicht nicht
Wenig überzeugend ist auch die eher flache Formulierung zur Cannabis-Teillegalisierung: „Im Herbst 2025 führen wir eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis durch.“ Das klingt doch sehr anders, als das im Wahlkampf von CDU/CSU vollmundig angekündigte „Wir machen die Cannabis-Legalisierung rückgängig!“
Wir werden als DPolG darauf achten, wer mit der Evaluierung beauftragt wird. Wenn das nämlich nur die von den Sozialdemokraten in der Vergangenheit immer wieder aufgerufenen „Experten“ sind, die entweder wirtschaftliche oder ideologische Interessen an der Legalisierung von Cannabis haben, wird nicht viel dabei herumkommen. Wir wissen aus vielen anderen „Studien“, dass es stets darauf ankommt, wer den Auftrag dazu erteile und wer es bezahlt.
Fazit: Auf die handelnde Politik kommt es mehr denn je an. Im Bundesinnenministerium braucht es dringend einen Neuanfang, auch mit neuen Führungskräften in den Abteilungen des Hauses, ein Auswechseln des Ministers und seiner Staatssekretäre reicht nicht. Dass Alexander Dobrindt neuer Bundesinnenminister werden könnte, klingt vielversprechend. Er hat sich vor allem als jemand gezeigt, der den Einsatzkräften Vertrauen und Wertschätzung entgegenbringt. Das würde ihn wohltuend von Nancy Faeser unterscheiden.
Höchste Zeit für eine Zeitenwende in der Inneren Sicherheit.