29. Dezember 2015

Beamte fordern Verstärkung

Verband verlangt 180.000 neue Kollegen

Der dbb beamtenbund und tarifunion hat der Bundesregierung vorgeworfen, zu spät auf die sich abzeichnende Flüchtlingskrise reagiert zu haben. "Die Flüchtlingskrise ist keine Verwaltungskrise, sondern eine Krise der politischen Führung", sagte der Zweite dbb-Vorsitzende Willi Russ gegenüber Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Russ zufolge hat seine Organisation schon vor Jahren davor gewarnt, dass es an Personal und technischer Ausstattung fehle, um eine solche Krise angemessen bewältigen zu können: "Die Politik hat diese Warnungen ignoriert." Die Verantwortlichen für die angespannte Situation in den Behörden säßen deshalb nicht in den Amtszimmern, sondern in der Bundesregierung und im Bundestag. Gerade Haushaltspolitiker hätten Wünsche nach mehr Personal immer wieder abgeblockt, sagte Russ.

 

Der amtierende Vorsitzende des Beamtenbunds, dessen Organisation auch Angestellte im öffentlichen Dienst vertritt, nahm die zuletzt in die Schlagzeilen geratenen Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Schutz. Gerade aus dem BAMF sei jahrelang und "zigmal" die Forderung nach mehr Personal gekommen, "aber das Bundesinnenministerium hat nicht darauf reagiert", so Russ. Jetzt, wo die Behörden durch die Zuwanderung massiv gefordert seien, könnten die Innenminister in Bund und Ländern nicht einfach sagen, das Problem solle erst einmal mit Überstunden und einigen neu eingestellten Kollegen gelöst werden.

 

"Wir brauchen im gesamten öffentlichen Dienst mehr als 180.000 neue Kollegen", verlangte Russ. Nötig seien bessere Technik, andere Verwaltungsstrukturen und effizientere Verfahren. Asylverfahren müssten so verschlankt werden, dass sie viel schneller bearbeitet werden könnten. Spielraum gebe es etwa bei der Frage, ob und wie Informationen aus dem Heimatland eines Asylbewerbers beschafft werden oder wie umständlich die Kommunikation mit dem Antragsteller sei.

 

Psychologen sollen bei Überlastung helfen

 

Um die bei den Behörden in den vergangenen Monaten entstandenen "Millionen Überstunden" abzubauen, schlug Russ einen finanziellen Ausgleich vor. "Wir fordern deshalb die öffentlichen Arbeitgeber auf, Möglichkeiten zu schaffen, wie Überstunden im Einzelfall und ausschließlich auf freiwilliger Basis finanziell kompensiert werden können." Allerdings müssten die Mitarbeiter zunächst die Chance bekommen, Freizeitausgleich nehmen zu können. "Viele Kollegen müssen einfach mal raus aus dem Job, weil sie schlicht überlastet sind. Diese Überlastung kann man mit Geld nicht abbauen", sagte Russ.

 

Die Flüchtlingskrise bedeute nicht nur wegen der Dauerbelastung eine Ausnahmesituation für den öffentlichen Dienst, sondern auch wegen der menschlichen Schicksale, mit denen die Mitarbeiter konfrontiert würden. Der Beamtenbund hat deshalb auch in dieser Hinsicht einen speziellen Wunsch an die Politik: "Wir fordern in allen von der Flüchtlingskrise betroffenen Bereichen eine umfassende, auch psychologische Unterstützung und Betreuung des Personals", sagte Russ.